Ferrari im Operationssaal – Great Ormond Street Hospital for Children

Quelle: Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald

Etwas substanziell anders zu machen als die Durchführung von sich wiederholenden Routinen gilt in der Innovationsforschung als ein Grundstein der Innovation. In einem Artikel von Dr. Peter Kreuz spiegelt sich dieser Grundstein aktuell deutlich wider. Der Wille, Neues zu lernen, die offene Kommunikation mit Branchenfremden und die lebendig-freie Denkweise der Akteure-, besser kann das Thema MONDAYS FOR INNOVATION nicht beschreiben werden.

Die Chefärzte eines Londoner Kinderkrankenhauses dachten eigentlich, dass sie einen hervorragenden Job machten. Ihr Haus war nicht umsonst berühmt für seine Herzchirurgie. Was für ein Schock, als das Boxenteam von Ferrari ihnen ein Video zeigte, das die Spezialisten im Operationssaal bei der Übergabe eines frisch operierten Patienten an die Nachsorge-Experten zeigte: Nie im Leben hätten die Ärzte gedacht, dass sie so unstrukturiert und suboptimal arbeiten würden. Ferrari deckte ihre Schwachstellen gnadenlos auf.
Nach einem langen, harten Tag im Krankenhaus verabredeten sich der Chef-Operateur, Dr. Martin Elliot, und der Chefarzt der Intensivstation, Dr. Allan Goldman, zu einem entspannenden Fernsehabend mit Formel-1-Rennen. Bei einer Nahaufnahme von einem dieser wahnwitzig koordinierten und geschwindigkeitsoptimierten Boxenstopps, sagte einer von ihnen. „Da geht’s ja zu wie bei uns nach der OP..." Die beiden Ärzte schauten sich an und hatten eine Idee.
Ein paar Tage später nahmen sie Kontakt mit einigen Teams der Formel 1 auf.
Als die Zusage von Ferrari kam, besuchten die Mediziner das Ferrari-Team beim Training in Modena und beim Grand Prix in Silverstone. Im Gegenzug wurde das Boxenteam von Ferrari in das Londoner Kinderhospital eingeladen und besuchte das Ärzteteam vor Ort.
Das Ziel: Voneinander lernen
Die Ferrari Ingenieure waren beeindruckt von der technischen Komplexität und der Anzahl von individuellen Wahlmöglichkeiten, mit denen das Ärzte-Team umgehen musste. Aber ihnen fiel auch sofort auf, wo die Schwachstelle im Ablauf einer Operation lag: Nach der OP mussten alle Geräte abgeschaltet und ausgestöpselt, die kleinen Patienten umgebettet und in die Pflegestation gebracht werden. Hier lag das größte Risiko für Fehler, hier gab es Lücken in der Kontrolle der Lebensfunktionen und hier waren die Abläufe zu langsam und unklar. Sie erstellten eine Video-Analyse und halfen den Ärzten, die Schnittstelle zwischen Operation und Pflege komplett neu zu gestalten.
Anschließend liefen die Übergaben völlig anders ab: geräuschlos, ultraschnell, Hand in Hand, ein perfekter Handlungsprozess. Die Folge: Drastisch weniger medizinische Komplikationen in der Jahresstatistik.
Ehrgeiz & Bescheidenheit
Meiner Überzeugung nach funktioniert ein solcher Tellerrandblick nur dann, wenn die Akteure zwei entscheidende Eigenschaften mitbringen. Voneinander lernen wird erst dann möglich, wenn beide sich drauf einlassen

Erstens: Gesunder Ehrgeiz.
Egal wie gut ihr seid, in dem was ihr tut – Ihr dürft nie aufhören, leidenschaftlich ambitioniert zu sein, fortlaufend den Status Quo in Frage zu stellen und -immer wieder nachzuhaken: Wie können wir das entscheidend verbessern?

Zweitens: Bescheidenheit:
Ihr müsst bei aller Weltklasse immer noch bescheiden genug bleiben, um anzuerkennen, dass ihr von anderen jede Menge lernen könnt.
Mein sehr geschätzter Autorenkollege William Taylor nennt diese extrem produktive Einstellung „humbition“ – ein Kunstwort aus „humility“ und „ambition“, also Bescheidenheit plus Ehrgeiz. Eine Kombination, die nicht häufig anzutreffen ist, das genaue Gegenteil der Ich-weiss-sowieso-eh-schon-alles-Hybris, der wir alle des Öfteren begegnen.
Die Chefärzte im Great Ormond hatten diese beiden Eigenschaften. Sie wussten, dass sie gut waren, aber das genügte ihnen nicht. Und sie wussten: Wir können von „einfachen“ Schraubern, Mechanikern und Technikern mit Benzin im Blut noch jede Menge lernen.
Text:
Herbert Wackenhut

Quellen:
Dr. Peter Kreuz - XING - Mittwoch 17.07.2019


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Das Projekt RegioINNO Nordschwarzwald ist ein prämiertes Projekt des Förderaufrufes „Regionales Innovationsmanagement“ des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg. Mit RegioINNO wird die zielgeführte Vernetzung der Innovationsakteure unterstützt und die Erarbeitung einer regionalen Innovationsstrategie vorangetrieben. Durch die Bündelung von Synergien und die aktive Einbindung aller Beteiligten soll die Zusammenarbeit zwischen der regionalen Wirtschaft und der Wissenschaft intensiviert werden.

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