Schwäche der Region trotz Spitzenunternehmen: Das Fördermittel-Paradoxon im Nordschwarzwald

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Studierende der Hochschule Pforzheim haben vor Unternehmensvertretern und Professoren die Ergebnisse ihrer Studienprojekte vorgestellt. Foto:RalfRecklies
Der Foresight-Experte Jörg Blechschmidt hat mit seinem Vortrag „Zukunft gestalten" einen Impuls für das Erkennen und Nutzen von Trends gegeben. Foto:RalfRecklies
Professor Bernhard Kölmel hat als Vorsitzender des Transformationsbeirats im Transformationsnetzwerk (TraFoNetz) Nordschwarzwald bei Unternehmern dafür geworben, Projekte mit Studierenden umzusetzen. Foto:RalfRecklies
Im Rahmen der Veranstaltung "TechPF x TraFoNetz" haben Unternehmensvertreter auch verschiedene Labore der Hochschule Pforzheim besucht. Foto:RalfRecklies

TraFoNetz-Event: Wie aus innovativen Ideen echte Erfolgsgeschichten werden – und warum Vernetzung der Schlüssel ist

Die Unternehmen in der Region Nordschwarzwald haben eine niedere Inanspruchnahme von Fördermitteln, ebenso eine geringe Kooperation mit Hochschulen. Doch gerade diese könnten die treibende Kraft für innovative Projekte sein, meint Dr. Bernhard Kölmel, Vorsitzender des Transformationsbeirats im Transformationsnetzwerk (TraFoNetz) Nordschwarzwald und Professor an der Hochschule Pforzheim. Er sieht in dieser Hinsicht deutliche Schwächen im Nordschwarzwald.

Professor Bernhard Kölmel kann nicht so ganz nachvollziehen, warum sich Firmen in der Region Nordschwarzwald oft schwer tun, Fördermittel zu beantragen oder Kooperationen mit Hochschulen einzugehen, besonders wenn es darum geht, innovative Ideen und Projekte voranzubringen. Mit Blick auf die Förderquoten resümierte Kölmel bei der jüngsten Netzwerk-Veranstaltung an der Hochschule Pforzheim: „Wir sind die schwächste Region in Baden-Württemberg.“ Dabei müsste der Nordschwarzwald nach seiner Einschätzung „ganz vorne mitmischen“. Schließlich hätten viele innovative Unternehmen ihren Sitz in der Region – und deren Projekte könnten oft auch gefördert werden.

Um besser von den Förderprogrammen wie ZIM (Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand) oder Invest BW (Innovations- und Technologieförderprogramm der Landesregierung) profitieren zu können, gebe es von der Hochschule Pforzheim, der landeseigenen Standortförderagentur bw-i wie auch von der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald und ihrem Projekt TraFoNetz gute Beratungs- und Unterstützungsangebote. In Kooperation gestellte Anträge führten oft zum Erfolg. Insbesondere bei ZIM müsse man sich „schon bemühen, einen schlechten Antrag zu stellen, um abgelehnt zu werden“, so Kölmel. Sein ebenso einfaches wie bestechendes Fazit: „Vernetzung hilft.“

Um die Vernetzung weiter voranzubringen, hatte das TraFoNetz-Team jüngst unter dem Titel „Mittelstand trifft Hochschule – Innovation durch Kooperation“ Unternehmensvertreter eingeladen, um mit Lehrenden und Studierenden der Hochschule Pforzheim ins Gespräch zu kommen. „Wir wollen als Hochschule enger mit Unternehmen zusammenarbeiten“, machten Professor Ansgar Kühn sowie seine beiden Kollegen Professor Frank Niemann und Professor Ingolf Müller deutlich. Kooperationen, unterstrich auch Kölmel, führten in den allermeisten Fällen zu echten Win-Win-Situationen.

Auch der Trendforscher Jörg Blechschmidt ist überzeugt, dass es von zentraler Bedeutung für innovative Entwicklungen ist, Ideen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und gleichzeitig aktuelle Trends und Entwicklungen im Fokus zu haben. Zur erfolgreichen Umsetzung innovativer Ideen müsse es gelingen, frühzeitig herauszufinden, was eine Entwicklung trieb oder hemme, wer von ihr profitiere oder was sie fördere oder einschränke.

„Es ist immer auch wichtig, die Disruptoren zu kennen“, so Blechschmidt. Schließlich könne eine Idee noch so gut sein: wenn die Rahmenbedingungen und Trends nicht stimmten, dann sei es äußerst schwierig, auf die Erfolgsspur zu gelangen. Wichtig, um Zukunftsthemen erfolgreich anzugehen, sei „einen systematischen Strategieprozess“ zu starten, ins Handeln zu kommen und die jeweiligen Entwicklungsstände und -prozesse kritisch zu hinterfragen.

Auch der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) könne helfen, die Prozesse erfolgreich voranzutreiben. „Grundvoraussetzung Nummer eins sind aber klare Verantwortlichkeiten“, so Blechschmidt, der mit seinen Kompetenzen als Foresight-Berater und Coach bei der Deutschen Bahn, aber auch in anderen Unternehmen, geholfen hat, die Weichen in Richtung Zukunft richtig zu stellen. Dass Entwicklungen mitunter schwierig vorherzusagen sind, machte er an einem Beispiel deutlich: Habe man mit der Einführung des W-LAN in Zügen der Deutschen Bahn ursprünglich nur im Blick gehabt, „den Fahrgästen stabiles Telefonieren zu ermöglichen“, würden heute viele Zugnutzer während der Fahrt an Videokonferenzen teilnehmen oder andere datenintensive Anwendungen nutzen. Von daher müsse man auch ständig nachbessern, um am Ball zu bleiben.

Dass die Hochschule Pforzheim mit ihren Studienprojekten, die häufig im Zusammenspiel mit Unternehmen umgesetzt werden, auf der Höhe der Zeit ist, davon konnten sich die Teilnehmer der zweiten Veranstaltung in der Reihe „TechPF x TraFoNetz“ nicht nur bei drei Panelveranstaltungen und bei Laborbesuchen überzeugen. Zahlreiche Studierende präsentierten zum Ende des Sommersemesters zudem Projekte, bei denen sie unter anderem aktiv mit Unternehmen der Region Zukunftsthemen bearbeitet haben.

Die mögliche Weiterentwicklung innovativer Graphen-Heizsysteme zum Einsatz in Gebäuden, die für Wärmepumpen nicht geeignet sind, wurde von Studierenden ebenso untersucht wie das mögliche Recycling der oft aus Verbundstoffen hergestellten Turbinenblätter von Windkraftanlagen. Auch die Optimierung eines Einsatzes von Ballenpressen in Einzelhandelsgeschäften haben Studierende für die Lidl-Schwarz-Gruppe untersucht, ebenso die Möglichkeit für regionale Automobilzulieferer, unter Nutzung ihrer Kernkompetenzen neue Produkte beispielsweise für den Medizintechnik-Markt zu entwickeln, der weiter wächst. Hier komme es vor allem auf das richtige Change-Management an. Erfreulich für die Hochschule Pforzheim: immer wieder würden aus Projekten mit Unternehmen auch Produkte entwickelt, die ob ihrer Innovation und ihres Marktpotenzials zum Patent angemeldet würden.

Auch Matthias Rink, der für bw-i unter anderem die Region Nordschwarzwald betreut, sieht im Miteinander unterschiedlicher Player hervorragende Chancen – insbesondere bei Restrukturierungsprozessen, die vielfach erforderlich seien. Gerade bei den drei F-Themen „Flächen, Fachkräfte und Fördermittel oder -darlehen“ könne bw-i den Unternehmen hilfreich zur Seite stehen und im Schulterschluss viel auf den Weg bringen.

Dass die Inanspruchnahme solcher Angebote die Region insgesamt nach vorne bringen kann, daran hat Kölmel keinen Zweifel. „Kommen Sie auf uns zu und suchen Sie den Austausch“, warb er für ein engeres Miteinander von Hochschule und Unternehmen. Selbst wenn die Hochschule Pforzheim nicht die nötigen Kompetenzen habe, „können wir zu anderen Hochschulen vermitteln“. Wichtig sei, dass am Ende die Region profitiere und weiter voran komme. „Dafür setzen wir uns ein“, so der Vorsitzende des TraFoNetz-Transformationsbeirats.

Zur vollständigen Medienmitteilung hier.

Autor: Ralf Recklies

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