Virtuelle Regionalkonferenz Nordschwarzwald mit prominenten Gästen aus Politik und Wirtschaft

|Unternehmen und Region

Bei der virtuellen Regionalkonferenz Nordschwarzwald schilderten Vertreter aus Wirtschaft und Politik die aktuelle Lage in der Corona-Krise. Im Anschluss an die Diskussion hatten die Teilnehmer die Chance konkrete Fragen zu stellen.

In der Tat: Damit rechnet heute keiner mehr, dass noch etwas so Analoges wie eine Postkarte ins Haus flattern könnte. Gerade das aber könnte in Zeiten, in denen nicht nur die Gesundheit in Gefahr ist, sondern auch die Wirtschaft von „Corona“ gebeutelt wird, für die dringend benötigte Aufmerksamkeit sorgen. Der Witz an der Sache: Mit der Postkarte machte ein Mittelständler darauf aufmerksam, dass sein Unternehmen auch digital verfügbar ist. Mit diesem Beispiel will Bernhard Grieb als Vertreter der Koordinierungsstelle der Initiative Wirtschaft 4.0 Baden-Württemberg und als einer der rund 200 Teilnehmer der virtuellen, von der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald organisierten Regionalkonferenz am Dienstag Mut zum Beschreiten neuer Wege machen. Seine Empfehlung im Lauf der zweistündigen Konferenz für den Raum Nordschwarzwald: „Netzwerke nutzen“.

Mit Sparringspartnern in Diskussionen Lösungen und neue Ansätze suchen. Aus Sicht der Experten glasklar in der ganzen nebulösen Entwicklung des Virus: Wer bereits digitalisiert in die Pandemie gegangen ist, hat eher eine Chance und kann später davon profitieren. Das sieht man auch bei der „Pforzheimer Zeitung“ (PZ) so, dessen geschäftsführender Verleger Thomas Satinsky auch immer mehr digitale Berichterstattung setzt und ansonsten in einer als „bedrohlich“ wahrgenommenen Corona-Realität auch von vielen Unternehmen weiß, dass sie nicht an Kurzarbeit vorbeikommen. Auf dem gleichen „Dampfer“ unterwegs ist Bernhard Kölmel als Professor der Hochschule Pforzheim im Bereich „Globales Prozessmanagement“, der Einsatz bei Innovationen fordert. „Corona ist der Anlass, aktiv zu werden. Nicht die Ursache.“

Einhellige Meinung der Gäste aus Politik und Wirtschaft am virtuellen Konferenztisch:
Für die Bewältigung der Pandemie gibt es keine Blaupause.

WFG-Geschäftsführer Jochen Protzer fordert während der Konferenz immer wieder auf, Situationen konkret zu schildern. Hand aufs Herz legt dabei unter anderem Gerd Lutz als Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Karlsruhe. Nein, eingrenzen lasse sich das nicht: „Ich kenne keinen Bereich, der nicht betroffen ist.“ So spricht er davon, dass die Betriebe, die noch geöffnet bleiben durften, während des Lockdowns einen Umsatzrückgang von bis zu 75 Prozent hätten. Auch die als krisensicher geltende Branche Bau und Hausbau. Ein Haus baue sich nun mal nicht am Computer. Während rund 9500 Anträgen regionaler Handwerksunternehmer auf Soforthilfe gestellt haben, zählt IHK-Präsidentin Claudia Gläser bei der mitgliederstärkeren Industrie- und Handelskammer etwa 16.000 Anträge, die diesbezüglich in den vergangenen Wochen auf den Weg gebracht worden seien. Nun müssten „schnell“ Erleichterungen für die Gastronomie kommen. Dass es „in China langsam wieder losgeht“ sei für die Unternehmen mit internationalen Lieferbeziehungen indessen gut. Die Unternehmen, so die IHK-Präsidentin, brauchen keine neuen bürokratischen Belastungen oder Auflagen, sondern Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, auch wieder Erträge zu erwirtschaften.

Die Senkung der Mehrwertsteuer für Gastronomen. Prima, aber auch nur, wenn man Umsatz mache, so die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken. Die auch von Gläser geforderte „Verlässlichkeit“ von Seiten der Politik können angesichts der enormen Herausforderungen, der Dynamik des Geschehens und der Tragweite der Krise aber weder von Saskia Esken aus dem Stand gegeben werden, noch von der Bundestagsabgeordneten Katja Mast (SPD) oder dem CDU-Bundestagsabgeordneten Gunther Krichbaum, die Ihrerseits die weitreichenden Beschlüsse der Bundesregierung herausstellen. Esken, Mast und Krichbaum weisen einhellig auf die schnellen Reaktionen in einem „beispiellosen Kraftakt“ der Politik bezüglich Erleichterungen bei Steuervorauszahlungen, Mehrwertsteuer, Soforthilfe hin. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern kann Deutschland zufrieden sein mit seinem Krisenmanagement, findet Krichbaum. Bei allem Bemühen, die Wirtschaft wieder hochzufahren darf man die Entlastung der Familien nicht vergessen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nun noch schwerer geworden, weil die Infrastruktur-Einrichtungen geschlossen sind. Das betrifft beispielsweise auch die Tagespflege, so Katja Mast.

AfD-Landtagsabgeordnete Klaus Dürr bricht eine Lanze für die Digitalisierung und damit für das Breitband und ein einheitliches E-Government (mit gleichzeitiger Warnung vor Cyberkriminalität). Wie man eine Infektion schnell eindämmen könne, sei dagegen bei Südkorea und Taiwan abzuschauen.

Während die Politiker – sicher auch zu Recht – auf ihre Hilfestellungen verweisen, pochen Kommunalpolitiker wie Horbs Bürgermeister Ralph Zimmermann und Freudenstädter Oberbürgermeister Julian Osswald darauf, die Kommunen stärker mit Förderungen zu unterstützen. „Unser Glück war, dass wir vorausschauend vor der Welle geschwommen sind. Konkret setzen wir nicht nur lediglich die Regelungen der Verordnung durch, sondern beraten und geben Hilfestellung wo immer wir können“, so der Horber Bürgermeister.


Der Pforzheimer Eventmanager Gerhard Baral lenkt in der anschließenden Diskussion den Blick auf die leidenden Kulturbetriebe, für die „ein Schritt in Richtung Sozialhilfe der falsche“ wäre. Damit hat er die volle Unterstützung von Saskia Esken, die sich nicht wünscht, nach der Corona-Krise nur noch „die Hälfte an Kulturbetrieben und Gastronomen“ zu sehen. So ähnlich und noch mehr aus der touristischen Perspektive sieht es Regionalverbandsvorsitzender Klaus Mack. „Man vermutet, dass jeder Dritte im Gaststättengewerbe ohne staatliche Hilfe in Insolvenz geht. Es werden dringend Rettungsschirme benötigt - jetzt. Dokumentationspflicht, Arbeitszeitenregelung, Brandschutz – solche Dinge gehören auf den Prüfstand.“

Geschäftsführer Patrick Stöber von der gleichnamigen Firma mit Sitz in Pforzheim hat sich auf Antriebstechnik spezialisiert und ist mit Tochterunternehmen in europäischen Ländern, in Asien und USA unterwegs. Er sieht indessen deutliche Nachfragerückgänge und teilweise abgebrochene Lieferketten. Seine Tage seien nun ausgefüllt „mit Dingen, die ich nicht tun möchte“.

Fazit: Die Politik reagiert so spontan wie nie. Digitalisierung lautet das Gebot der Stunde. Aber einen Vertrieb vor Ort ersetzt das nicht. Während das zumindest während der Weltfinanzkrise 2008 noch möglich gewesen sei habe Corona nun alles von einem Tag auf den anderen zunichte gemacht.

Bewusstmachen der dramatischen wirtschaftlichen Auswirkungen, aber auch aufmunterndes Schulterklopfen, zarte Ansätze einer Aufbruchstimmung, ein fast trotziges „Jetzt-erst-recht“ kennzeichnen die unter dem Thema „Wiederhochfahren der Wirtschaft“ stehende Regionalkonferenz Nordschwarzwald.

Dabei kommt die Bestätigung des Calwer Landrats und WFG-Aufsichtsratsvorsitzenden Helmut Riegger sowie dem Freudenstädter Landrat und Vorsitzenden der WFG-Gesellschafterversammlung, Klaus Michael Rückert, alles in der Macht stehende für die Unternehmen der Region tun zu wollen.

„Wir haben viele gute mittelständische Unternehmen, die die Herausforderung annehmen. Hier in der Region haben Sie eine gute Zukunft“, beantwortet in der Diskussionsrunde IHK-Hauptgeschäftsführer Martin Keppler die Frage eines jungen Teilnehmers nach den Chancen für die Jugend. „Bewerben Sie sich gern bei unseren Handwerksbetrieben“, lautet kurz und prägnant die Antwort von Handwerkskammer-Präsident Gerd Lutz im Chat.  

Organisiert wurde die virtuelle Regionalkonferenz von den Partnern Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald, Handwerkskammer Karlsruhe, Regionalverband Nordschwarzwald unter der Federführung der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald. 

Quelle: Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald

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