Aus einem Semesterprojekt wird ein Startup

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Interview mit Laura Deschl, 2019 BA Mode in Pforzheim. Laura Deschl und ihr Team haben ein Wellness-Produkt entwickelt, das gezielt Druckpunkte am Körper stimuliert und so das Wohlbefinden fördert. Jetzt suchen sie Business Angels, die das Team beim Markteintritt unterstützen.

DFPF: Wer bist du und was sollte man über dich wissen?

Laura Deschl: Aufgewachsen bin ich in Bayern und habe dann in Pforzheim Mode studiert. Währenddessen habe ich im Rahmen meines Praktikums bei Alexander McQueen in London Erfahrungen in der Modebranche gesammelt. Bereits zu diesem Zeitpunkt kam in mir jedoch auch das Bedürfnis auf, mich intensiver mit sozialen Fragen zu beschäftigen. Im Master an der Design Academy in Eindhoven kam ich dann auf die Idee, Textilien mit medizinischem Nutzen zu verknüpfen. Jetzt bin ich in Berlin und baue die Marke trykk. im Bereich Consumer Health und Bekleidung auf. Wir befinden uns aktuell in der Pre-Seed Phase und wollen in 2023 den Markteintritt vollziehen.

 

DFPF: Der Prozess bis zu einem Produkt ist ja immer besonders spannend, also lass uns doch nochmal ein paar Schritte zurückgehen – zu deinem Projekt während dem Master in Eindhoven. Wie kamst du auf die Idee?

Laura: In das Semesterprojekt bin ich damals mit einem ausgeprägten Interesse für das Thema Mentale Gesundheit gestartet. Ich wollte zeigen, was Design für diesen Bereich alles tun kann. Mein Research hat dann gezeigt, wie durch den Zugang über den Körper therapeutische Erfolge unterstützt werden können. Da ich den ganzen Körper als Interface denken möchte, habe ich mich dann über Bekleidung dem Thema genähert.

 

DFPF: Und welches Produkt ist dann in der Entwicklung entstanden?

Laura: Im Team haben wir Bekleidung entwickelt, die ein flexibles textiles Raster hat, wodurch kleine Massagekugeln an alle Stellen des Körpers bewegt werden können. So können Druckpunkte im Körper gezielt stimuliert werden. Mit dem Produkt wollen wir jetzt erstmal als Wellness-Produkt durchstarten und auf lange Sicht planen wir eine Zertifizierung als Medizinprodukt.

 

DFPF: Habt ihr bei der Entwicklung dann auch über ein Patent nachgedacht?

Laura: Wir haben die Kombination aus Textil und einem externen Stimulus, in diesem Fall die Kugel, um gezielt Stellen am Körper stimulieren zu können, patentieren lassen. Das Textil ist zweilagig mit einem textilen Raster gestrickt und durch die Kompression verrutschen die Kugeln daher am Körper auch nicht, sondern lassen sich nur durch gezieltes Drücken an die gewünschte Stelle weiterbewegen.

 

DFPF: Spannend an deiner Beschreibung finde ich hier auch, dass du mit diesen technischen Raffinessen auf ein ästhetisch gestaltetes Produkt Bezug nimmst.

Laura: Das ist mir persönlich auch wichtig. Zum einen bin ich Designerin und zum anderen, weil ich an das Prinzip der Neuro-Ästhetik glaube. Das impliziert, dass durch Ästhetik auch Wohlbefinden ausgelöst werden kann. Und das fehlt meiner Meinung nach aktuell vielen Medizinprodukten. Als Nutzer:in möchte man mit dem Produkt ja auch einen bestimmten Lifestyle leben und als Designer:in schöne Erfahrungen schaffen, die über den reinen Produktnutzen hinausgehen.    

 

DFPF: Hier sehe ich auch den Bezug zur HSPF, denn gerade in interdisziplinären Projektarbeiten steckt das große Potenzial für Produktentwicklungen wie deine.

DFPF: Und wenn du jetzt zurückblickst: Was ist das Schöne und Schwierige zugleich beim Gründen?

Laura: Für mich ist das ganz klar der Bereich der Persönlichkeitsentwicklung. Meine These ist, dass eine Gründung, egal wie schwierig, dich als Person fordert in die Weiterentwicklung zu gehen. Denn Gründung fördert Aspekte wie Selbstwirksamkeit und Resilienz. Für mich ist Gründung etwas sehr Erfüllendes. Gleichzeitig werden durch die Herausforderungen eigene Glaubenssätze getriggert, die sich dann auflösen dürfen. Das ist für mich bis jetzt einfach ein unglaublich bereichernder Prozess der Selbsterkenntnis.

 

DFPF: Das Thema Glaubenssätze taucht bei uns in Workshops auch immer wieder auf.

Laura: Genau aus dem Punkt finde ich es auch so wichtig, meine Gründungsgeschichte zu erzählen. Denn es braucht Vorbilder, die nahbar sind. Vor zwei Jahren hätte ich mir auch noch nicht vorstellen können, dass ich einmal Gründerin sein werde und wachse da auch noch rein. Da kann es schon helfen, von Leuten zu hören, die vielleicht etwas Ähnliches studiert haben oder ähnliche Voraussetzungen haben. Gerade auch in meinem Umfeld in Berlin finde ich es sehr inspirierend, Gründer:innen zu treffen, die schon zwei Jahre weiter sind. Einfach um zu sehen, was man alles erreichen kann.

 

DFPF: Vorbilder zu haben ist sicherlich ein wichtiger Punkt, aber was war denn für dich der Initialfunken um deine Idee aus der Schublade zu holen?

Laura: Es gab zwei Momente. Gerade im Studium hat mich der Gedanke an die Skalierung von Social Design beschäftigt. Social Entrepreneurship war schon da eine potentielle Antwort auf die Frage, wie Social Impact Menschen auch erreichen kann. Ein weiterer –  eher pragmatischer Grund – ergab sich während dem Master in der Prototypenentwicklung. Ich habe nach Finanzierungsmöglichkeiten gesucht und habe einen Grant gefunden, für den ich aber einen Businessplan brauchte. Im Gespräch mit einem Patentanwalt, ist dann auch die Möglichkeit einer Patentierung in den Raum gestellt      worden. Hier wurde mir dann zum ersten Mal bewusst, dass in der Idee ein Business Case steckt. Mein Projekt habe ich bei der Dutch Design Week ausgestellt und gerade die Gespräche und das Interesse der Besucher:innen haben mich weiter motiviert.

 

DFPF: Was sind dann deine nächsten Schritte? Was würdest du in den nächsten Monaten gerne erreichen?

Laura: Für uns ist der wichtigste Schritt, Business Angels zu finden und im Sommer unsere erste Finanzierungsrunde zu schließen. Mit dieser Unterstützung wollen wir dann den Markteintritt über Crowdfunding vorbereiten. Unser Augenmerk wird dabei vor allem Marketing und PR sein, um das Produkt im Wellness-Bereich bestmöglich zu platzieren. Wenn dann der Markteintritt gemeistert ist, wollen wir das Produkt als Medizinprodukt zertifizieren lassen. Die Vorbereitungen dafür finden aktuell schon im Rahmen des 4C-Accelerators statt.

 

DFPF: Mit Hinblick auf die Kooperation mit Business Angels die Frage, wie sich eigentlich genau euer Team zusammensetzt?

Laura: Aktuell sind wir zu zweit. Gerne würden wir mit Beginn der Finanzierung dann eine Stelle für Marketing schaffen.

 

DFPF: Du hattest vorhin auch schon Acceleratoren angesprochen. Da wäre es spannend zu erfahren, welche Erfahrungen du im Bewerbungsprozess gesammelt hast. Du bist aktuell im Accelerator „Stoff im Kopf in Reutlingen und beim „4C Accelerator“ für Medizinprodukte in Tübingen. Beide auch in der Nähe von Pforzheim. Wie lief der Prozess ab in Reutlingen?

Laura: Hier war die Bewerbung recht unkompliziert. Ich habe das Online-Formular ausgefüllt und eingereicht und wurde dann zu einem Pitch-Event eingeladen. An dem Abend hat die Jury, bestehend aus Expert:innen im Textilbereich, dann die überzeugendsten Pitches aus etwa 35 gekürt.

 

DFPF: Und im Vergleich dazu Tübingen. Wie lief die Bewerbung für den „4C Accelerator“ für Medizinprodukte in Tübingen ab?

Laura: Ich hatte über Eduard Sabelfeld, Mitarbeiter des Design Factory Pforzheim, von dem Programm erfahren und habe mich dann an die Bewerbung gesetzt. Das Bewerbungsformular war sehr ausführlich und hat ein tieferes Verständnis vom Markt und dem Business Model vorausgesetzt. Zusätzlich reicht man noch ein Pitch Deck ein und dann trifft die Jury eine Vorauswahl. Wir sind dann auf der Shortlist gelandet und wurden angerufen, um die Motivation nochmal abzufragen. Aus den ca. 80 internationalen Bewerbungen wurden schließlich acht für den Accelerator ausgewählt.

 

DFPF: Weil du gerade auch die internationale Teilnahme am Accelerator ansprichst. Wie ist der Ablauf des Accelerators?

Laura: Es finden wöchentlichen Gruppenworkshops statt, bei denen es fachlichen Input – beispielweise von Medizinjurist:innen – gibt. Danach steht Austausch über aktuelle Entwicklungsschritte im Fokus, aber auch die fachliche Vernetzung wird gefördert. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der Austausch hier sehr offen ist und sich Startups mit ganz anderer Ausrichtung finden (z.B. digitale Applikationen, Hardware, …).    

 

DFPF: Wie konnte das Team der Design Factory dich bisher unterstützen und wobei auch in Zukunft?

Laura: Das erste Gespräch bezog sich auf das Thema Exist-Antrag. Interessant wäre es auch, über      die DFPF in Kontakt zum Ökosystem Nordschwarzwald zu treten. Mit den Acceleratoren ist der Bezug zu Baden-Württenberg auf jeden Fall vorhanden und da die Standortfrage noch nicht geklärt ist, sind wir aktuell auch offen für BaWü. Der lokale Bezug ist dann auch für Business Angels im Bereich MedTech interessant.

 

DFPF: Zum Abschluss noch die Frage, was du Gründer:innen und Gründungsinteressierten unbedingt mitgeben möchtest? Gerade auch mit Hinblick, dass du selbst deinen Bachelor in Pforzheim gemacht hast. Was würdest du deinem BA-Absolventinnen-Ich erzählen?

Laura: Im Endeffekt habe ich mich sehr vom Leben überraschen und leiten lassen. Als ich in Pforzheim den Bachelor gemacht habe, hätte ich auch nie gedacht, dass ich einmal Gründerin sein werde. Daher auch mein Tipp an Gründungsinteressierte: Einfach offen sein und die Chancen, die sich ergeben, versuchen zu nutzen. Denn solange man noch nicht gebunden ist und mit der Gründung nicht gleich ein großes Risiko eingeht, kann man es auch einfach mal ausprobieren. Die Erfahrungen und zu treffenden Entscheidungen sind auf jeden Fall sehr bereichernd und eröffnen einen neuen Blick auf die Welt. Gerade die unternehmerische Perspektive finde ich in vielerlei Hinsicht bereichernd. Gerade für Unternehmen ist es spannend, wenn potentielle Arbeitnehmer:innen nicht nur ihren Bereich kennen, sondern auch unternehmerisch denken können. Aber auch im Verein oder Ehrenamt kann diese Denkweise unterstützen und gerade auch den sozialen Wandel vorantreiben.

 

Falls Dein Interesse an Gründung und unternehmerischem Denken geweckt ist, dann melde dich gerne über die Gründungsplattform an und das Team der DFPF kommt für ein erstes Beratungsgespräch auf dich zu.

Text- und Bildquelle: Hochschule Pforzheim

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